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중국 - 먹거리 딜레마

Kant 2007. 7. 21. 18:38

Geld oder Leben
Von Georg Blume

Nahrung, Medizin, Kosmetik: Exporte aus China lösen weltweit Skandale aus. Doch die Pekinger Regierung steckt im Dilemma. Kontrollen und Industriestandards könnten Millionen Kleinbauern und Unternehmer gefährden.


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Äpfel auf einem Markt in China.
Die Hälfte aller Äpfel, die weltweit
geerntet werden, wachsen in dem Land
© Cancan Chu/Getty Images


Nach wochenlangen Protesten von Verbrauchern, vor allem in den USA, hat die chinesische Regierung nun die Verwendung von giftigem Diethylenglykol in Zahnpasta verboten. Doch kehrte danach nicht etwa Frieden ein. Im Gegenteil. Der Streit erreichte die Handelspolitik. Der demokratische US-Senator Charles Schumer warnte vor »immer unsichereren Importen aus China«, und Handelsminister Carlos Gutierrez drohte der chinesischen Regierung öffentlich, dass sie für die Sicherheit der Exporte verantwortlich sei. Worauf Peking schnell ein Importverbot für amerikanisches Hühner- und Schweinefleisch verhängte, in dem man angeblich Salmonellen und verbotene Futterzusätze gefunden hatte.

Das in chinesischer Zahnpasta entdeckte Bindemittel Diethylenglykol ist extrem gefährlich. Als falsch deklarierter Hustensaft aus China forderte er im vergangenen Jahr in Panama und Haiti mehr als Hundert Todesopfer. Gesundheitsschäden, die auf seine Verwendung in Zahnpasta zurückzuführen sind, sind bislang allerdings nicht bekannt. Tatsächlich war der Gebrauch von Diethylenglykol in chinesischer Zahnpasta sogar legal und weit verbreitet. Der Widerstand der amerikanischen Verbraucher war auch deshalb entstanden, weil vor Kurzem etliche Hunde und 31 Katzen gestorben waren, nachdem sie verseuchtes chinesisches Futter gefressen hatten. Dann entdeckte man in den USA Kinderspielzeug aus China, das gefährliche Mengen Blei enthielt. Es wurde aus dem Handel entfernt, ebenso zurückgenommen wurden unsichere Autoreifen aus dem Land der Mitte.

Die Pekinger Regierung scheint mit der Qualitätskontrolle ihrer Exportwaren überfordert. China führt heute jedes Jahr Waren im Wert von einer Billion Dollar aus, es ist der weltweit größte Exporteur von Verbrauchsgütern. Um diesen Boom auszulösen, lockerte die Regierung in der Reformphase viele Regeln und gewährte neue Freiheiten. Arbeits- und Umweltgesetze werden seither von vielen Firmen genauso missachtet wie die Sicherheitsbestimmungen für Produkte. Skandale gab es folglich nicht nur im Ausland: Im wohl bekanntesten Fall starben im Jahr 2004 in China 50 Babys an Unterernährung, weil sie eine Trockenmilch bekamen, die kein Protein enthielt.

Inzwischen sendet der Staatssender CCTV einen wöchentlichen »Qualitätsreport«, in dem zuletzt von falschen Tollwutimpfstoffen und giftigen Lebensmittelzusätzen die Rede war. Jede Woche hört man in der Sendung von einem neuen Skandal. Tatsächlich ist die Verunsicherung so groß, dass laut staatlichen Umfragen 60 Prozent der Stadtbewohner in China der Sicherheit ihrer Lebensmittel nicht mehr vertrauen. Was wohl mit ein Grund dafür war, weshalb die Behörden in der vergangenen Woche den langjährigen Leiter ihrer Nahrungs- und Arzneimittelaufsichtsbehörde wegen Korruption hinrichten ließen.

Doch Skandale sind nur die eine Seite von Chinas schneller Aufnahme in die globale Waren- und Nahrungskette. Die andere, die soziale Seite des Exportbooms ist kaum weniger bedeutend. Beispielsweise liegt nicht weit entfernt von Peking das Land der Apfelplantagen. Sie reichen Hunderte von Kilometern in den Süden bis zum Gelben Fluss und weiter. Jetzt im Sommer steckt jeder Apfel in einem Plastikschutz, den die chinesischen Obstbauern – jeder von ihnen hat weniger als einen Hektar Plantageboden – mehrmals vor der Ernte wechseln. Auf diese Art wächst in China heute die Hälfte aller Äpfel, die weltweit geerntet werden –, und das Land wurde zum größten Apfelexporteur.

Zwischen 1980 und 2004 verdoppelte China seinen Anteil am globalen Export von Agrarerzeugnissen von 1,5 auf 3,1 Prozent und ist seither hinter der Europäischen Union, den USA, Kanada und Brasilien fünftgrößter Exporteur. Am erfolgreichsten sind die Chinesen ausgerechnet auf dem schwierigen japanischen Markt. 16 Prozent aller japanischen Lebensmittelimporte stammen heute aus China – vor allem Krabben und Pilze. Das zeigt einen vielversprechenden Trend: Statt wie früher unter Mao nur Getreide anzubauen, damit das Volk keinen Hunger leide, stellen immer mehr chinesische Kleinbauern auf wertvolle Exportprodukte um, vor allem auf solche, die wie Pilze und Äpfel viel Handarbeit benötigen. Und das ist etwas, was die etwa 200 Millionen Kleinstbauern bieten können.

Die Krux einer verschärften Lebensmittelkontrolle wäre: Mehr Kontrolle würde zu mehr Standardisierung führen, was viele Kleinstbetriebe kaum würden leisten können. Gerade sie sind aber für die soziale Stabilität und die Eindämmung der Landflucht in China von größter Bedeutung. Was für die kleinen Bauernhöfe gilt, trifft auch auf die Lebensmittel verarbeitende Industrie zu. Sie zählt in China 450000 Betriebe, von denen 80 Prozent bäuerliche Dorfunternehmen mit weniger als zehn Angestellten sind. Die Hälfte dieser Betriebe liefert seine Waren heute ohne Lizenzen am Markt ab, und vielen droht nun die Schließung.

Wie gefährlich eine Abschottung Chinas vom globalen Agrar- und Lebensmittelmarkt wäre, belegen Analysen vom Worldwatch-Institut in Washington. Den US-Forschern zufolge droht China langfristig eine große Getreideknappheit. Wasserknappheit, Umweltverschmutzung, Bodendegradation und das Wachstum der Städte lassen die ohnehin geringe Anbaufläche pro Kopf in den nächsten Jahren weiter schrumpfen. Zugleich erhöht der zunehmende Fleischverzehr den Bedarf an Getreide für das Tierfutter.

Umso wichtiger ist es für Peking, gerade die Märkte für Lebensmittelprodukte offen zu halten. Beim Anbau genmanipulierten Getreides hat man sich genau aus diesem Grund bisher zurückgehalten. Nun versucht es Peking mit dem Aufbau eines Ministeriums nach dem Vorbild der US-Behörde für Arznei und Lebensmittel, um der Kritik aus dem Westen zu begegnen. Doch es wird Jahre dauern, bis China über ein gutes Kontrollsystem verfügt. Auf den Zahnpastaskandal werden deshalb weitere folgen.

© DIE ZEIT, 19.07.2007 Nr. 30

http://www.zeit.de/2007/30/China